Kolumnenreihe von Dennis Palumbo [#1]

Eine Wand ?

Von Dennis Palumbo

Ich eröffne die Kolumnenreihe mit meinen Ausführungen über die Schreibblockade, ein Problem, das mir sehr vertraut ist. Ich habe nämlich fast 20 Jahre als Drehbuchautor gearbeitet, und nur zu gut kenne ich das frustige Gefühl der Blockade, das einen wahnsinnig macht: die schlaflosen Nächte, die emotionale und geistige Müdigkeit und Abgeschlagenheit, das Schwinden des Glaubens an das eigene kreative Potential.

Aber seit ich als Therapeut arbeite, habe ich wirklich mit Hunderten von Autoren gearbeitet, die gegen ihre Schreibblockade gekämpft haben, und mein Konzept, mit diesen Blockaden umzugehen, hat sich verändert.

Der Begriff Schreibblockade, wie man den Zustand, der den Schreibenden lähmt, bezeichnet, fordert den Autoren geradezu heraus, diese Blockade zu durchbrechen und zu überwinden.

Wenn wir jedoch sofort dem ersten Impuls nachgeben und die Blockade durchbrechen, vergeben wir uns die Chance, herauszufinden, was sie tatsächlich bedeutet.

Mit anderen Worten: Die Autoren sollten vielleicht damit aufhören, mit ihren Köpfen gegen eine Wand zu rennen. Besser wäre es, sie würden hinschauen, ob da wirklich eine Wand ist.

Was jedoch, wenn man die Schreibblockade stattdessen als einen Wegweiser, als einen Vorboten eines bevorstehenden Wechsels oder Übergangs betrachtete (wie der Monolith, der im Film 2001: A Space Oddessy erscheint)? Wenn wir nämlich unser Schreiben so begreifen, dass es sich in dem Maße, in dem wir Erfahrungen anhäufen, verbessert, ist es dann nicht möglich, dass das, was wir als Blockade wahrnehmen, stattdessen die geballte Spannung widerspiegelt, die dem Durchbruch vorausgeht?

Stellen Sie es sich so vor: Sie, der Schriftsteller, befinden sich auf einer Hochebene und schauen hinüber zu einem Plateau, das ein wenig höher liegt und das durch eine Spalte von ihrer Ebene getrennt ist. Sie wollen mit einem verwegenen Sprung die höhergelegene Ebene erreichen, Furcht und Zweifel halten Sie jedoch zurück. Sie sind mit dem, was Sie machen, unzufrieden, fühlen sich jedoch noch nicht in der Lage, den Schritt ins Neuland zu wagen, Sie bewegen sich im Raum des Dazwischen, in dem Spannungsfeld zwischen dem Bekannten und dem Neuland.

Was dieses Spannungsfeld ausmacht, – das sind nicht zuletzt das Vertrauen auf bewährtes Gedankengut und die Erfahrungen, die man beim Schreiben gemacht hat –, muss untersucht und verstanden werden. Beispielsweise haben Se Angst davor, beim Fertigstellen Ihres Projekts zu entdecken, dass Sie weniger begabt sind, als Sie es gehofft haben. Irgend welche Schwachstellen könnten offensichtlich werden, und schmerzlich gäbe man sich selbst die Schuld am eigenen Scheitern. Muss man sich angesichts solcher bewusster oder unbewusster Ängste wundern, wenn man es vorzieht, auf dem niedereren Plateau zu bleiben?

Wenn man so denkt, hat man die Möglichkeit, die Blockade als das zu sehen, was sie wirklich ist: ein Mechanismus zum Selbstschutz, der vielleicht schon in der Kindheit entstanden ist und auch im Erwachsenenleben noch vorhält. Die gleichen Risiken der Selbstentblößung, der Scham und der Selbsterniedrigung, die die Jugendjahre geprägt haben, werden wieder auftauchen, während man versucht zu schreiben. Der gleiche Schutzmechanismus, den man als Kind erlernt hat, – emotionales Herunterfahren und die Unterdrückung des natürlichen kreativen Potentials –, wird ebenfalls wieder auftauchen. Nur wirst Du es jetzt Schreiblockade nennen.

Ironischerweise ist der Frust, der eine Schreibblockade begleitet, meistens ein Indikator dafür, dass ein kreatives und bedeutungsvolles Wachstum möglich ist, dass die Geburtswehen des Sprungs von einer Ebene zu einer höheren Ebene ertragen werden können. Mehr noch: Wenn ein Autor die durch eine Blockade vermittelte « Lehre » durchgemacht hat, wird seine Arbeit tiefer, reifer und reicher, emotional wahrer und persönlich relevanter.

Also nicht verzweifeln: Wenn Du ein Autor bist, wirst Du wahrscheinlich mit Blockaden zu kämpfen haben. Aber ich glaube, dass die Schreibblockaden wie die Entwicklungsphasen, die wir von unserer Kindheit bis zum Erwachsenenalter durchmachen, eine Reihe von Stationen darstellen, mit denen wir uns konfrontieren und die wir verstehen und steuern müssen, wenn wir zu einer künstlerischen Reife gelangen wollen.


Dennis Palumbo, M.A., MFT, ein früherer Hollywood-Drehbuchautor (My Favorite Year, Welcome Back, Kotter usw.), arbeitet heute als Psychotherapeut mit Privatpraxis. Er hat sich auf Kreativitätsfragen spezialisiert.

dennispalumbo.com


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