AGORA: Web Issues - The Common Archive & Imaginary Property

Datum und Ort
Sonntag, 18. April 2010, 14.00 bis 17.00 Uhr, Ferme du Manoir, Nyon
Anmeldefrist
Anmeldung erwünscht: market@visionsdureel.ch
Teilnahmegebühr
Eintritt frei
Organisation
Visions du Réel

Für eine aktive Dokumentarkultur auf dem Internet! In ihrem Manifest setzen die Filmemacher und Forscher Eyal Sivan und Florian Schneider den Web-Dokufilm dem traditionellen Film entgegen. Zwischen Praxis und theoretischer Forschung.
Auf der einen Seite die herkömmlichen Produktionen, die zu bestimmten Zeiten in bestimmte Sendegefässe abgefüllt werden, auf der anderen Seite persönliche Arbeiten auf dem Web, auf Abruf verfügbar, wann immer man will und kann. Auf der einen Seite lineare Erzählformen, auf der anderen Seite fragmentarische Geschichten.
Den Zuschauer in die Rolle eines "Editor" versetzen, der den Datenstrom lenkt und gestaltet, Materialien bearbeitet und Leben in die Archive bringt mit seiner Aneignung der Inhalte. An den Konzepten der Autorschaft und Eigentum am Bild rütteln. Kurzum, den Dokumentarfilm im Web als Stätte der Produktion etablieren - Schluss mit Ausstrahlung und Konsum.

Stoff für Reflexionen und Debatten:

Wie kann das Internet wirklich zu einer Erneuerung des Dokumentarfilmschaffens führen? Die Filmemacher und Universitätsforscher Eyal Sivan und Florian Schneider haben ein Manifest verfasst, in dem sie mit ihrem theoretischen Ansatz an die Akteure des Webdokumentarfilms appellieren. Letztere sollen nicht mehr nur einfach die bestehenden TV-Formate anpassen in Form eines festgefügten Programms für eine maximale Zuschauerzahl, sondern die (open) Ressourcen des Internet tatsächlich nutzen: vervielfachen der Gegenstände und Versionen, die offene Form wählen, das Unvorhergesehene zulassen, aus dem Zuschauer einen echten "Editor" machen, der den Strom der Inhalte mitlenkt und neugestaltet und Leben in die Archive bringt, indem er sie sich aneignet. Nur recht, wenn dabei die Konzepte des geistigen Eigentums am Bild und des Urhebers umgestossen werden.
Kurzum, den Dokumentarfilm im Web als Stätte der Produktion etablieren - Schluss mit Ausstrahlung und Konsum!

Der Webdokumentarfilm ist heute bloss eine Adaptation, eine Transposition des TV-Dokumentarschaffens. Der Webdokumentarfilm ist nicht der Ort einer wirklich neu erdachten Konzeption. Obgleich er doch ein gänzlich anderes Medium ist.

Während das Fernsehen ein Programm produziert, um zu einem bestimmten Zeitpunkt eine maximale Zuschauerzahl zu erreichen, gehorcht Internet einer entgegengesetzten Logik. Wegen fehlender Breitbandkapazität ist es technologisch und wirtschaftlich schwierig, eine grosse Masse von Internet-Nutzern auf einen bestimmten Moment zu konzentrieren. Diese Zielsetzung scheint der Natur von Internet ohnehin zu widersprechen (Fehlen von Programmrastern, extrem heterogene Nutzergruppen, usw.). So setzt Internet vielmehr auf eine Fülle von Programmen, die von allen Nutzern zu beliebigen Zeitpunkten gesehen werden können. Damit werden sämtliche TV-Modalitäten ausgehebelt (Gefäss, Sendezeit, Genre, regelmässiger Sendeplatz…).

Mit Internet wird auch der Austausch zwischen Zuschauer und Autor neu definiert. Ja, der Status des Zuschauers als solcher wird in Frage gestellt. Nicht nur einfach als aktive (oder vorgeblich aktive) Figur, wie es der Webdokumentarfilm heute suggeriert, sondern als potenzieller "Editor", der den Inhalt neu gestalten kann. In dieser Hinsicht wird die Rollenverteilung Autor-Zuschauer tatsächlich umgekehrt.

Der durch Internet geschaffene Raum ist weit entfernt von der TV-Logik. Er liegt näher bei den bildenden Künsten oder den Installationen, wo das Unvorhergesehene (das dem Dokumentarfilm so wichtig ist) eintreten kann, wo Variationen in grosser Zahl möglich sind, und das Rohmaterial der Rushes weiterbesteht. Darum: Die Erfahrungen mit der CD-ROM nicht vergessen, und sein eigenes Setting hinterfragen!

Und ausserdem:

  • Raum für Produktion, nicht Konsum = Kino der Editoren
  • Drittraum zwischen Youtube, wo sich niemand für den Nutzer interessiert (abgesehen von den Metadaten, die nur dem Verkauf von Werbungen dienen), und dem Fernsehen, das aus dem Nutzer reine Bilderkonsumenten macht.
  • Dynamische Archive werden unablässig neu definiert.
  • Die Realität = das Internet selbst?

Barbara Levendangeur
März 2010

Referenten

Eyal Sivan
("Route 181: Fragments of a Journey in Palestine-Israel" 2004),
Florian Schneider (Mitbegründer der Kampagne "kein mensch ist illegal", Dokumentar 1997, und Autor der Soirée Thema "was tun?/ que faire?" für ARTE, 2002),
Colette Loumède (ONF),
Catherine Kammermann (TSR).

Moderation
Jean Perret
(Visions du Réel) und Barbara Levendangeur (Visions du Réel).
Eine Initiative von

Visions du Réel

In Zusammenarbeit mit

FOCAL

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OFC