Nach über zwölf Jahren Engagement für FOCAL habe ich beschlossen, Ende März als Ko-Direktorin zurückzutreten und nehme diesen Moment zum Anlass, einige Themen zu skizzieren, und welche in der kommenden Zeit für das hiesige audiovisuelle Schaffen an Bedeutung gewinnen werden.
Diversität und die Schweiz
Die Schweiz achtet ihre konföderativen Eigenheiten. Nicht umsonst – und wohl nirgendwo sonst – bietet der öffentliche Sender Inhalte in sämtlichen vier Landessprachen. Doch was haben die vier Landesteile miteinander zu tun? Gibt es genügend kritische und konstruktive Auseinandersetzung? Was müsste passieren, damit Schweizer Filme über die Sprachregionen hinweg wesentlich stärker rezipiert werden? Könnte dadurch eine nationale Identität des Schweizer Films entstehen, die von unserer Pluralität erzählt, sichtbar und lesbar für den internationalen Markt?
Werke und Identitäten: Wer prägt die Filme?
Das audiovisuelle Narrativ ist zum entscheidenden Kulturträger geworden. Es prägt unsere Wahrnehmung der Welt. Sollen unsere Filme auch von uns und unseren Eigenarten erzählen, so müssen sie von möglichst vielfältigen Perspektiven geprägt werden. Darin liegt eine Chance, hiesige Gräben zu überwinden, welche zwischen Sprachen und Kulturen bestehen, zwischen Generationen und Lebensrealitäten, zwischen Tradition und Moderne – und zwischen den Geschlechtern: Die Werke weiblicher Filmschaffender benötigen weiterhin verstärkte Sichtbarkeit, um gegen unseren traditionell geprägten Blick anzukommen.
Das Publikum: Wer rezipiert die Filme?
Wer ist mit Publikum gemeint, wer zählt sich zu den Gemeinten und wer nicht? Wie können wir unser Bild des Publikums erweitern? Will ein filmisches Werk von seinem Publikum wahrgenommen werden und mit diesem in Beziehung treten, so ist, analog der Wahl eines Sendekanals, sein Framing gemäss seinem Kern zwingend. Damit Werk und Publikum sich treffen, gilt es, den Aggregatzustand, die Sprache und Sprachcodes jedes Publikums zu entdecken. Wie? Gemäss Marty Baron, Chefredaktor der Washington Post: ‹Go talk to people›.
Mut und Innovation
Lasst uns die Filme unserer Kolleg*innen der anderen Regionen anschauen, das Gespräch mit anderen Generationen suchen. Wagen wir Experimente zur Erforschung von Neuem, zur Entwicklung unkonventioneller Stoffe und Formate, treten wir in einen interdisziplinären Diskurs mit der Branche. Die Vertiefung dieses Dialogs wird uns in den kommenden Jahren beschäftigen. Der Wille hierzu ist spürbar – auch bei FOCAL.
Eine Weiterführung unseres Dialogs
Ich bedanke mich für die interessanten Gespräche der letzten Jahre – unser Dialog wird natürlich weitergeführt. Ich danke den FOCAL-Mitarbeitenden, ganz besonders Rachel Schmid, für die unvergleichlich gute Zusammenarbeit in der Ko-Direktion. Ich bin sicher, dass sie als Direktorin FOCAL weiterhin branchennah positionieren, modernisieren und solide und transparent aufstellen wird.
Nicole Schroeder, Ko-Direktorin FOCAL
FOCAL, März 2020