Wir nehmen die Ausschreibung des Wettbewerbs für das Stipendium Personal Assistant 2018 zum Anlass, einen Blick auf die bisherigen Auflagen dieser einzigartigen Initiative zu werfen. Bei dieser Initiative erhalten junge RegisseurInnen die Gelegenheit, eine/n ausländische/n SpielfilmregisseurIn bei seiner/ihrer Arbeit zu begleiten. Die Anstellung als PA war für alle bisherigen GewinnerInnen eine Erfahrung, die sie in der Schweiz nicht hätten machen können, nämlich die Filmwelt einer anderen Kultur aus nächster Nähe kennen zu lernen – ein bereicherndes, hin und wieder auch schwieriges Erlebnis. Denis Rabaglia hat sechs der sieben Stipendiaten der Auflagen 2010 bis 2016* sechs Fragen gestellt. Ein Auszug:
Was war das grösste Problem, dem Sie begegnet sind?
Niemand im Filmteam kannte die Rolle des ‹Personal Assistant›. Ich musste während der ganzen Anstellung beweisen, dass ich mich nützlich machen konnte und zu weit mehr in der Lage war, als Kaffee zu holen. Das Milieu, in das ich da kam, besteht bei Weitem nicht nur aus netten und wohlwollenden Menschen.
Gilles Monnat PA 2010 von Delphine Gleize auf LA PERMISSION DE MINUIT (FRA)
Wie war Ihr Verhältnis zu den Regieassistenten?
Es wurde schwierig, als das Assistenten-Team dazu kam. Zuvor hatte ich zwei Monate lang schon eine sehr privilegierte Stellung bei den Regisseuren: Ich begleitete sie überall hin und hat das Gefühl, ganz zum Projekt zu gehören beim Aufbau des Films, bei der Arbeit mit den Schauspielerinnen und Schauspielern. Es war sehr intensiv und lehrreich, man hat vieles mit mir besprochen. Als ein paar Wochen vor dem Dreh der 1. Regieassistent dazu kam, funktionierte diese Konstellation plötzlich nicht mehr, und wir mussten unsere Rollen neu abstecken.
Anouk Degen PA 2012 von Claudio Marques & Marilia Hughes auf DEPOIS DA CHUVA (BRA)
Inwiefern unterscheidet sich aus Ihrer Sicht das Schweizer Filmschaffen von dem, was Sie im Land Ihres Praktikums erlebt haben?
Ich glaube, im Ausland steht weniger Geld für das unabhängige Filmschaffen zur Verfügung. In Schweden ist der Konkurrenzkampf viel grösser, und am Ende werden gar nicht so viele Filme gedreht. Zudem denke ich, dass dem Schweizer Film ein solides Image im filmkulturellen Erbe fehlt, wie es z. B. Schweden mit jemandem wie Ingmar Bergman hat.
Ivana Lalovic PA 2011 von Roy Andersson auf A DOVE SITTING ON A BENCH REFLECTING ON EXISTENCE (SWE)
Was halten Sie vom FOCAL-Stipendium als ‹Personal Assistant›?
Das ist ein Angebot, von dem alle profitieren: Auf der einen Seite kann jemand, der fertig ausgebildet ist, aber nur wenig Erfahrung hat, in einem professionellen Filmteam sein Wissen vertiefen und Sicherheit erlangen, und auf der anderen Seite hat die Produktion ein zusätzliches, kostengünstiges Teammitglied zur Verfügung.
Camille Morend PA 2014 von Sébastien Leilo auf UNA MUJER FANTASTICA (CHI / GER), Oscar 2018 für den besten fremdsprachigen Film.
Zu welchem Zeitpunkt macht es Ihres Erachtens für einen jungen Filmschaffenden am meisten Sinn, als Personal Assistant für eine/n ausländischen RegisseurIn zu arbeiten?
Der beste Moment, einem anderen Regisseur über die Schulter zu schauen, ist wahrscheinlich, wenn man selbst zwei, drei Kurzfilme gemacht hat. Ich denke, dass viele junge Schweizer Regisseurinnen und Regisseure bei ihrem ersten langen Spielfilm keine Ahnung haben, wie ein Filmset einer internationalen Produktion aussehen kann. Einen Regisseur bei seiner Arbeit beobachten zu können, ist deshalb sehr wertvoll.
Mauro Mueller PA 2016 von Mark Raso auf KODAKCHROME (USA)
Gibt es etwas, das Sie zukünftigen Stipendiaten raten möchten?
Ja, nämlich das Pflichtenheft vorher ganz genau zu studieren, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Man muss sich auch die Empfehlungen des Teams zu Herzen nehmen und allfällige Konflikte sofort lösen – wenn nötig, indem man ein Gespräch verlangt. Nicht der PA macht den Film; man sollte sich also auf ungewohnte Arbeitsmethoden einlassen; so lernt man am meisten. Und: immer freundlich und bei Laune bleiben. So banal es auch klingt, mir hat das wirklich geholfen.
Adrien Kuenzy PA 2015 von Serge Bozon auf MADAME HYDE (FRA)
Die Interviews wurden geführt vom Koordinator von Personal Assistant, Denis Rabaglia
*Das Stipendium 2013 wurde Boris Kish zugesprochen; da der Film aber schliesslich nicht gedreht wurde, hat das Praktikum nicht stattfinden können.