Kolumnenreihe von Dennis Palumbo [#3]

Autoren brauchen Geduld

Von Dennis Palumbo

Ich erinnere mich noch gut an den gestickten Spruch, der damals, als ich noch Kind war, bei meiner Tante an der Wand hing: "Lieber Gott, schenk mir Geduld – aber schnell!"

Ich denke häufig an diesen Spruch, speziell dann, wenn ein Vertreter der schreibenden Zunft bei mir in der Therapiestunde sitzt. Das ist auch nicht verwunderlich, hat sich doch kommerzielles Schreiben –Bücher, Zeitschriften, Fernsehen oder Film – zu einer atemlosen Branche entwickelt. In den letzten Jahren haben sich die Vorzeichen geändert. Heute heißt es nicht mehr: "Was hast du in letzter Zeit getan?" Die Frage lautet vielmehr: "Was tust du als Nächstes? – Und mach schnell! Es ist dringend."

Es herrscht ein enormer Druck, vor allem bei den Journalisten: Sie bloggen, müssen zeitnah Texte liefern, sehen sich genötigt, permanent ihre Seite bei Facebook, ihren Twitter und ihre Website zu aktualisieren. In dieser Atmosphäre ist Geduld ein Fremdwort.

(Das gilt nicht nur für die professionellen Autoren. In einem so hektischen, medial so übersättigten Klima muss man sich nicht wundern, dass die meisten Amerikaner ungeduldig werden über die Reaktion der Regierung auf unsere bedenklichen ökonomischen Zustände.)

Eine Folge des derzeitigen Geschwindigkeitsrauschs und der Gier nach schnellen Ergebnissen ist, dass die Geduld – mit sich selbst, mit der eigenen Arbeit und, noch wichtiger, mit der eigenen Arbeitsweise – als Tugend keinen großen Wert mehr hat. Zumal bei denjenigen, die es eigentlich besser wissen sollten – nämlich bei den Autoren selbst.

Heutzutage bekommen nur wenige Autoren den Rat, sich in Geduld zu üben. Es herrscht ein riesiger Druck, einfach drauflos zu schreiben, den Markt zu bedienen, fieberhaft zu produzieren und mit dem nächsten großen Konzept herauszukommen ("Haben Sie so etwas wie Iron Man"? "Wir sind auf der Suche nach einem Buch im Stil von Harry Potter." "Wie wär's mit einem Krimi auf dem Mars?") Wir leben in einer wettbewerbsorientierten Konsumkultur und stehen demnach unter enormem Leistungsdruck. Eine Tugend wie die Geduld – die begrifflich sozusagen in der gleichen gemütlich bescheidenen Kategorie wie Köpfchen oder Grips rangiert – kann bei dem irrsinnigen Produktionstempo sehr leicht verloren gehen.

Offensichtlich hat das Wort Geduld etwas von seiner beruhigenden Gewissheit, seinem Verweis auf Dauerhaftigkeit und auf das langsame Wachsen handwerklicher Fertigkeit verloren. Statt dass man Geduld als eine Qualität begreift, die den Autor befähigt, sich seinem Gegenstand langsam anzunähern und Schritt für Schritt souveräner zu werden, wird sie als notwendiges Übel empfunden. Wenn ein Autor, der gerade Probleme mit seiner beruflichen Entwicklung hat oder mit seiner Kreativität ringt, mit zusammengebissenen Zähnen erzählt, er wisse, dass er "mehr Geduld" brauche, dann meint er damit meist, dass er zwar mit verschränkten Armen, aber gleichzeitig mit "scharrenden Hufen" ungeduldig darauf wartet, dass die Dinge sich wieder zum Besseren wenden.

So gesehen hat diese Art von Geduld auch eine Ähnlichkeit mit dem Spinat-Essen: Angeblich ist er ja so gesund – verdammt! –, aber niemand mag ihn wirklich.

In diesem Fall ist Geduld nicht beruhigend und förderlich, sie wird zur Anspannung und Folter, man wartet, bis man an der Reihe ist und selbst erfolgreich wird.

Stephen Levine, ein sehr angesehener Meditationslehrer, beschrieb einmal den Grund des Leidens als den "Wunsch, dass die Dinge anders sein sollen". Ich denke, das ist der Schlüssel zum Verständnis dessen, was Geduld für einen Autor bedeuten kann. Wenn ein Autor, symbolisch gesprochen, geduldig mit den Zähnen knirschend darauf wartet, "dass die Dinge anders werden", dann vermehrt er sein Leiden noch zusätzlich.

Glauben Sie mir: Ich verstehe die Versuchung, sich Geduld in dieser selbstzerstörerischen Art vorzustellen. Beispielsweise befinden sich alle Autoren heutzutage in einer Wettbewerbssituation. Schreibe mehr, schreibe schneller, schreibe witziger, schreibe bedeutungsvoller – das sind die Tipps, die Autoren täglich zu hören bekommen. Deshalb gehöre ich vielleicht zu einer Minderheit, wenn ich den Autoren empfehle, die Bedeutung von Geduld neu zu überdenken, sie nicht als bittere Pille hinzunehmen, die man schlucken muss – wie den oben erwähnten Spinat –, sondern sie als einen Zustand von ganz eigener und sehr förderlicher Qualität zu begreifen.

Autoren haben es, wie jeder heutzutage, sehr eilig, "irgendwohin zu kommen". Aber wenn sie nicht wirklich "bei sich bleiben" – wenn sie nicht eins sind mit ihren Gedanken, Gefühlen und Impulsen, wenn sie nicht bei sich sind – was kann sie dann inspirieren? Irgendwohin zu kommen ist bedeutungslos, wenn das, was einer schreibst, nichts mit ihm zu tun hat, nicht authentisch ist.

Als Eric Liddle sich in dem Film Chariots of Fire weigert, am Sabbath an einem Wettlauf teilzunehmen, sagt jemand, dass der Glaube des Jungen respektiert werden müsse und dass die olympischen Funktionäre den Fehler begangen hätten, "seine Fähigkeit von der Person, die sie verkörpert, zu trennen". Ebenso wenig kann man den Autor und seinen Text trennen. Und du kannst dich nicht selber kennen– nicht als Person und nicht als Autor – wenn du keine Geduld hast. Geduld fördert und unterstreicht die Vorstellung, dass deine Karriere nicht nur ein lebenslanges Streben ist, sondern einer ständigen Rückkoppelung mit deinen Erfahrungen bedarf.

Zudem unterstützt Geduld das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die das Ergebnis langsam wachsender Erfahrung sind – das Ergebnis von Fehlern, Einbrüchen, falschen Anfängen, die das Leben eines Autors prägen, das Ergebnis des Rhythmus zwei-vor-und-eins-zurück. Geduld – nicht verstanden als ein "Warten auf Veränderung", sondern als Zustand des Zu-sich-Kommens – bringt Bewusstsein und Selbstakzeptanz, beides notwendige Voraussetzungen für die Kreativität eines Künstlers.

Statt sich zu beeilen, irgendwo hin zu kommen, tun Autoren besser daran, zu überlegen, wo sie im Moment stehen – und das erfordert Geduld.

Anders ausgedrückt: Wenn ich mir heute einen Spruch an die Wand hängen würde, dann müsste der heißen: "Lieber Gott, gib mir Geduld – und lass Dir Zeit damit."


Dennis Palumbo, M.A., MFT, ein früherer Hollywood-Drehbuchautor (My Favorite Year, Welcome Back, Kotter usw.), arbeitet heute als Psychotherapeut mit Privatpraxis. Er hat sich auf Kreativitätsfragen spezialisiert.

dennispalumbo.com


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