Durchhalten
Von Dennis Palumbo
In den frühen 1960er Jahren gab es einen Independentfilm mit dem Titel Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Ich muss manchmal an diesen Film denken, wenn ich versuche, meinen schreibenden Klienten, die an langen Formaten arbeiten, an Romanen, Theaterstücken oder Drehbüchern, zu helfen. Das Bild des Langstreckenläufers passt sehr gut, denn das Arbeiten an einem langen Format ist vergleichbar mit einem Marathonlauf: Es erfordert Ausdauer, Geduld, große Willenskraft und Engagement, und außerdem die Stärke eines Herkules, um den sich erst spät einstellenden Erfolg abzuwarten.
(Um bei der Analogie zu bleiben: Das Schreiben anderer Texte – Short Stories, Sitcoms, Gedichte o.ä. – kann man wiederum als Sprint bezeichnen. Ein Sprint erfordert ein Maximum an Speed und Power, eine durchschlagende Idee und ein rasches Hinstreben auf einen fulminanten Schluss hin.)
Was denjenigen, der an einer langen Form arbeitet, vor allem in Schwierigkeiten bringt, ist der Glaube, dass er/sie über die ganze Länge des Projekts hinweg die gleiche Kraft und Intensität aufbringen kann, die man für ein kleineres Format benötigt. Folglich gerät der Autor in Panik, wenn die Arbeit einmal langsamer von der Hand geht, wenn er sich bei der Exposition verzettelt oder wenn er vom Thema abkommt. Dann passiert es, dass der unvollendete Roman oder das unfertige Drehbuch, bildlich gesprochen, "in der Schublade landet" und oft nie mehr herausgeholt wird.
Damit das nicht passiert, gebe ich Ihnen jetzt einige Tipps, die helfen können, um "dranzubleiben" in dieser langen, anstrengenden Phase, die jeden quält, der an einem großen Projekt schreibt.
**Teilen Sie Ihre Kräfte ein. Wie gesagt, es handelt sich um einen Marathon, nicht um einen Sprint. Ein 16-Stunden-Tag vor dem Computer, und dazu nur Pizza und Red Bull, das mag eine Zeit lang funktionieren, wenn man beispielsweise etwas umarbeiten muss oder eine Deadline hat. Schreibt man so aber einen Roman oder ein Drehbuch, ist das tödlich: für die Familie, die Gesundheit und die Lebenserwartung.
**Seien Sie gefasst auf Slow Spots, auf Dinge, die nicht funktionieren, auf Rückschläge. Bei einem langen Format hat das Erzählen seinen eigenen Rhythmus, beim Lesen wie auch bei Schreiben. Der Leser muss Atem holen können, muss an Plot Points erinnert werden, braucht eine Pause von endloser Aktion und/oder Offenbarung. Das gilt für so verschiedene Romane wie The Corrections (Die Korrekturen) und The Girl With the Dragon Tattoo (Verblendung), aber auch für so verschiedene Filme wie The Bourne Identity und As Good As It Gets (Besser geht’s nicht).
Der gleiche Rhythmus gilt für die Autoren. Wie bei jedem ausgedehnten Trip gerät man auch auf der Reise durch einen Roman oder ein Drehbuch auf so manchen Umweg. Sich abseits der ausgetretenen Pfade zu bewegen, kann manchmal Spaß machen und sehr erfrischend sein, denn so hat man die Chance, sich vor Augen zu führen, warum man einen bestimmten Weg gewählt hat – und auch beim Rückblick auf Schauplätze und Ereignisse sollten Sie immer wieder eruieren, ob da nicht noch mehr drin sein könnte. Halten Sie sich immer vor Augen, dass Sie auf einer langen Strecke unterwegs sind, dass es gute und schlechte Tage sowie Höhen und Tiefpunkte der Inspiration geben wird, und dann machen Sie weiter.
**Machen Sie manchmal etwas anderes. Unterbrechen Sie Ihre Arbeit und schreiben Sie etwas Kurzes – einen Artikel, einen Essay, eine Kolumne oder einen Blog o.ä. Dabei gönnen Sie Ihren dringend benötigten Muskeln einmal Ruhe und strapazieren andere. Nur weil Sie gerade einen Marathon laufen, dürfen Sie nicht vergessen, wie man sprintet.
**Hetzen Sie nicht auf das Ende zu (nur um das verdammte Ding fertig zu bekommen). Es ist zwar hart, dieser Versuchung zu widerstehen, aber Sie sollten es zumindest versuchen. Es macht keinen Sinn, an einer Sache monate- oder gar jahrelang zu arbeiten, um Charaktere, Atmosphäre und Spannung genau richtig zu treffen, nur um dann, aus Erleichterung, dass das Ende langsam in Sicht kommt, die Sache auf den Höhepunkt hin zu peitschen. Lassen Sie den Leser – und auch sich selbst – in den Genuss der Früchte Ihrer Arbeit kommen. Gönnen Sie sich den Luxus, mit ungebrochener Anstrengung und Sorgfalt aus Ihrem Schluss das Maximum herauszuholen. Lassen Sie Ihren Charakteren, Ihrer Story – und sich selbst – Gerechtigkeit widerfahren.
**Und schließlich, wenn alles fertig ist, kommt der große Einbruch. Sie haben in der Welt Ihres Romans oder Drehbuchs gelebt, sie ist Ihnen bekannt und vertraut. Egal, ob sie Ihnen Probleme und Kopfschmerzen bereitet hat: Sie war für Sie trotzdem lange Zeit Heimat. Glauben Sie mir: Auch wenn Sie Ihr Werk in dieser ganzen Phase verflucht haben – wenn es fertig ist, wird es Ihnen fehlen.
Das ist der Grund, warum Sie ziemlich bald über etwas Neues nachdenken werden, auch wenn Sie sich geschworen haben, es für immer bleiben zu lassen.
Es ist wie das Ende einer langen, schmerzlichen Beziehung. Sie werden jedem, der es hören will, schwören, dass Sie sich nie wieder verlieben. Sie haben den Kummer, die falschen Hoffnungen, überhaupt das ganze Drama mehr als satt. Und dann, eines Tages, treffen Sie jemanden, in einem Buchladen oder auf einer Party…, und Sie kommen ins Grübeln: "Hmmm…?"
Es ist einfach so.
Dennis Palumbo, M.A., MFT, ein früherer Hollywood-Drehbuchautor (My Favorite Year, Welcome Back, Kotter usw.), arbeitet heute als Psychotherapeut mit Privatpraxis. Er hat sich auf Kreativitätsfragen spezialisiert.